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Burnout - Syndrom



Burnout-Syndrom? Was ist das?
"Burnout" (engl. "to burn out" = "ausbrennen") ist ein Sammelbegriff und steht für einen emotionalen, geistigen und körperlichen Erschöpfungszustand, der durch eine Antriebs- und Leistungsschwäche gekennzeichnet ist und typischerweise am Ende eines monate- oder sogar jahrelang andauernden "Teufelskreises" aus Überarbeitung und Überforderung steht. "Burnout" und "Burnout Syndrom" meinen das Selbe.

Burnout: die "Krankheit der Tüchtigen"
Ein Burnout kann prinzipiell jeden treffen, d.h. nicht nur Berufstätige, sondern auch Hausfrauen, Arbeitslose, Rentner oder Schüler. Da die Burnout-Forschung aber in der Untersuchung spezieller Berufsgruppen wurzelt, beziehen sich die meisten Beschreibungen und Analysen auf Betroffene in der erwerbstätigen Bevölkerung. Vor allem die Pflichtbewussten, Menschen die sich einsetzen und denen gute Resultate wichtig sind, die es genau nehmen mit dem was sie tun, die sind besonders gefährdet.
Spätestens seit Bekanntwerden prominenter Burnout-Fälle unter weltweit bekannten Sportlern (wie beispielsweise Profifussballer Jan Simák oder der deutsche Skispringer Sven Hannawald), Popstars (so z.B. Mariah Carey, Chris oder Peter Plate von Rosenstolz) und Politikern (z.B. der ehemalige Parteipräsident der FDP Schweiz Rolf Schweiger), die deswegen ihre Karrieren beenden oder zumindest zeitweise auf Eis legen mussten, rückt das Burnout Syndrom zunehmend in die öffentliche Aufmerksamkeit und in das Blickfeld der Medien.

Repräsentativen Studien zufolge sind rund 7% aller Erwerbstätigen von einem Burnout-Syndrom betroffen, etliche weitere sind Burnout-gefährdet. Die Vorkommenshäufigkeit ist in bestimmten Berufsgruppen (wie z.B. Manager, Unternehmensberater, Unternehmer, Lehrer, Sozialarbeiter, Pflegepersonal, Gefängnispersonal, Pfarrer, Ärzte etc.) deutlich höher als in anderen. Entscheidend für das Zustandekommen eines Burnout-Syndroms ist aber nicht etwa die Anzahl der Arbeitswochenstunden oder die Art der beruflichen Aufgaben, sondern komplexe Wechselwirkungen von Arbeitsbedingungen und individuellen Voraussetzungen, die zu anhaltendem Stress und schliesslich zur vollständigen Erschöpfung führen.

Ein Burnout-Syndrom sollte man nicht auf die leichte Schulter nehmen. Die Folgen eines Burnouts können schwerwiegend sein. Es geht los mit einer zeitweiligen Leistungsminderung für die Betroffenen, kann aber durchaus zur Frührente (Invalidität) oder sogar zum Suizid führen. Und mit zunehmendem Schweregrad des Burnouts steigt überdies auch die Wahrscheinlichkeit, im weiteren Verlauf an einer Depression oder an einer Sucht zu erkranken.

Die Konsequenzen eines Burnouts beschränken sich jedoch nicht nur auf die Betroffenen und ihr unmittelbares soziales Umfeld, sondern haben auch ökonomische Auswirkungen: erhöhte Fehlzeiten, höhere Fluktuation und geringere Produktivität in der Organisation sind die Folge. Im Jahr 2000 versuchte das Schweizer Staatssekretariat für Wirtschaft in einer Studie, die volkswirtschaftlichen Kosten von Stress am Arbeitsplatz zu beziffern. Darin heisst es: "Die Studie schätzt die Arztkosten und Kosten wegen Produktionsausfällen aufgrund von Stress-Leiden auf etwas mehr als 4 Milliarden Schweizerfranken, was etwa 1.2% des BIP entspricht." (Ramaciotti und Perriard, 2003). In derartige Rechnungen sind allerdings noch nicht die weiteren sozialen Folgekosten (Scheidungen, Verhaltensauffälligkeiten von Kindern) einkalkuliert, die im familiären Umfeld der Burnout-Betroffenen entstehen können.

Burnout Symptome
Nach harter Arbeit, egal ob körperliche oder geistige Arbeit, erschöpft zu sein, ist völlig normal. Das kennt jeder - und jeder hat so seine Methoden, damit umzugehen und die Batterien wieder aufzuladen: vielleicht durch Ausschlafen, durch Entspannen, ein langes Wochenende, ein Urlaub, Sport, ... Doch wenn diese Methoden nicht mehr funktionieren, wenn keine Erholung mehr möglich ist, dann wird es gefährlich.

Die Symptome des Burnout-Syndroms sind:

  • Chronische Müdigkeit und seelische Erschöpfung, die auch nach einer Erholungs-Auszeit (wie z.B. Urlaub) nicht verschwindet.
  • Distanzierung von der Arbeit, d.h. der Verlust der inneren Beziehung zur Arbeit, der sich in einem verringerten Bedürfnis nach Erfolg bei der Arbeit, in abwertenden und zynischen Gedanken über die Arbeit bis hin zu dem Wunsch äussert, in einen anderen Beruf zu wechseln.
  • Körperliche Beschwerden, wie z.B. Schlafstörungen, höhere Anfälligkeit für Krankheiten, Appetitlosigkeit, Verdauungsbeschwerden, Kopf- und Rückenschmerzen, Schwindel, Blutdruckinstabilität, Herzrasen, Tinitus.
  • Psychische Veränderungen, wie erhöhte Gereiztheit, innere Unruhe, die Unfähigkeit, nach der der Arbeit abschalten zu können, Rastlosigkeit, innere Leere, Lustlosigkeit, Angst, Langeweile, Verzweiflung, Resignation, Frustration, Sinnlosigkeitsgefühle, Abstumpfung.
  • Kognitive Leistungseinschränkungen, wie z.B. Konzentrationsstörungen, Entscheidungsunfähigkeit, Selbstzweifel, Wahrnehmung von Leistungsverlust.
  • Änderungen im Verhalten, beispielsweise sozialer Rückzug, Hyperaktivität, Konsum suchtfördernder Substanzen, Vernachlässigung von Freizeitaktivitäten.

Ursachen
"I've done too much for too many for too long with too little regard for myself." ( Zitat eines Betroffenen aus: Bergner 2004 ). Dieses Zitat verdeutlicht knapp und pointiert, wie es zu einem Burnout kommen kann. Fatal ist in fast allen Fällen die schleichende Entwicklung - erste Burnout-Anzeichen werden von den Betroffenen lange Zeit vernachlässigt.

Das Ignorieren oder Herunterspielen entsprechender Erschöpfungssymptome gehört gewissermassen zum Krankheitsbild dazu. Viele scheuen u.a. deshalb davor zurück, sich eine Burnout-Erkrankung einzugestehen, weil sie Angst haben, nach einer Behandlung oder Therapie anschliessend nicht mehr in ihren alten Job zurückkehren zu können.
Die konkreten Auslöser für ein Burnout-Syndrom im Einzelfall mögen sehr unterschiedlich ausfallen. Im Allgemeinen sind sich Wissenschaftler aber einig, dass ein Burnout-Syndrom als Folge chronischen Stresses entsteht, bei dem Faktoren auf zwei Ebenen wechselseitig wirksam werden.

Auf der ersten Ebene liegen personenexterne Belastungsfaktoren vor, die Stress verursachen. Im beruflichen Kontext können das Einflussfaktoren auf organisationaler Ebene sein, so z.B. bestimmte Eigenschaften der Hierarchiestruktur, eine mangelnde Ressourcenausstattung, bestimmte Belohnungsmechanismen im Unternehmen oder administrative Zwänge. Weitere potenzielle Stressoren liegen im sozialen Umfeld, d.h. in der Interaktion mit Kollegen und Vorgesetzten, oder ausserhalb des beruflichen Kontextes auch mit der Familie und dem Partner. Ferner gibt es situative Einflüsse bei den Belastungsfaktoren.
Auf der zweiten Ebene liegen personeninterne Persönlichkeitsfaktoren vor, die einen Nährboden für das Burnout-Syndrom bilden. Wenn bestimmte Konstellationen auf beiden Ebenen zusammentreffen, sind hohe Ausmasse von Stress und Frustration vorprogrammiert, die das Burnout-Risiko dramatisch erhöhen.

Burnoutbegünstigend sind u.a. folgende Arbeitsbedingungen:

  • Hohe Arbeitsmenge, hoher Termindruck, hohe Verantwortung und mangelnde Ressourcen (an Personalkapazität, Finanzmitteln oder auch notwendigem Knowhow).
  • Mangelnde Kontrolle bzw. Selbstbestimmung bei der Arbeitsdurchführung, fehlender Handlungsspielraum, mangelnde Partizipation an Entscheidungsprozessen.
  • Langer, häufiger, intensiver und anspruchsvoller Kundenkontakt.
  • Fehlendes oder wenig positives Feedback, unzureichende Be- und Entlohnung (gerade in bestimmten schlecht bezahlten sozialen Helferberufen, in denen die mangelnde Entlohnung letztlich eine Geringschätzung der geleisteten Arbeit signalisiert).
  • Schlechte Teamarbeit, mangelnde Kommunikation, fehlende soziale Unterstützung von Kollegen und Vorgesetzten.
  • Rollen- und Wertekonflikte
  • Drohender Arbeitsplatzverlust

Wichtig ist es aber festzuhalten, dass keineswegs alle Menschen, die derartigen personenexternen Belastungen ausgesetzt sind, deshalb dann in der Folge ein Burnout bekommen. Damit das Burnout-Syndrom entsteht, müssen die externen Belastungsfaktoren zum einen über einen längeren Zeitraum andauern und zum anderen müssen noch bestimmte personeninterne Faktoren dazukommen. Erst dann kommt es zu einer explosiven Mischung, die zur völligen Erschöpfung führen kann - aber nicht muss.

Zu den personeninternen Faktoren gehören Persönlichkeitseigenschaften, die sich für das Individuum anfänglich zumeist als durchaus karriereförderlich erweisen und im Volksmund als "Macher-Typen", als "Burner" oder als "High Performer" bezeichnet werden. Zu diesen Persönlichkeitseigenschaften zählen typischerweise:
 

  • ein hoher Leistungsanspruch an sich selbst, Idealismus und Perfektionswillen, sowie damit einhergehend: hohe Versagensängste
     
  • hohe bzw. unrealistische berufsbezogene Erwartungen (beispielsweise der Irrglaube an grundsätzlich kooperative und dankbare Klienten), der intensive Wunsch nach leistungsbezogener Anerkennung, grosser Ehrgeiz und das Bedürfnis, sich zu beweisen
     
  • die Schwierigkeit, nein zu sagen (z.B. aus Angst vor Zurückweisung); Wunsch, es jedem recht zu machen
     
  • mangelnde Distanzierungsfähigkeit von bzw. Über-Identifizierung mit der Arbeit
     
  • ein Misstrauen gegenüber anderen Menschen und Selbstüberschätzung der eigenen Fähigkeiten
     
  • die Tendenz, die eigenen (Regenerations-)Bedürfnisse langfristig zu ignorieren, Überdruss und Unzufriedenheit zu verleugnen und Warnsignale des Körpers zu missachten

     

Wenn die o.g. internen und externen Faktoren zusammentreffen und über einen längeren Zeitraum andauern, wird eine Abwärtsspirale von Überlastung und (Selbst-)Überforderung in Gang gesetzt, an deren Ende schliesslich der Zusammenbruch steht. Aber wie genau wirken diese Faktoren zusammen und welche einzelnen Entwicklungsstufen kennzeichnen die Abwärtsspirale?
 

Burnout: Stress als Ursache
Eine Stressreaktion hat -biologisch betrachtet- den Sinn, bei der Wahrnehmung einer akuten Gefahr durch die Ausschüttung von Stresshormonen (u.a. Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol) einen reflexhaften Angriffs- oder Fluchtmechanismus zu aktivieren und damit die Lebenserhaltung des Organismus sicherzustellen.

Diese Reaktion erfolgt hormonell betrachtet auf zwei "Hauptachsen" im Körper, die sich hinsichtlich ihrer Wirkungsfrist und damit in ihrem Schädigungs-Potenzial für den Organismus unterscheiden. Auf der ersten Achse spielen die Stresshormone Adrenalin und Noradrenalin eine wichtige Rolle, auf der zweiten das Stresshormon Cortisol. Die nachfolgende (stark vereinfachte) Erläuterung dient einem rudimentären Verständnis darüber, welche Rolle diese Hormone für die Entstehung symptomatischer Begleiterscheinungen von Stress hat.

Dauerstress hat fatale Folgen für den Organismus:

Das Stresshormon Adrenalin wird in einer akuten Stresssituation direkt ausgeschüttet und erhöht die Energieversorgung des Körpers für eine bestimmte Zeit. Organe wie das Herz werden angeregt, kraftvoller zu arbeiten, während andere energieverbrauchende Organtätigkeiten wie die des Darms eine Weile zurückgehalten werden. Herz, Gehirn und Muskulatur werden durch die Erweiterung der Arterien besser mit Blut und damit mit Sauerstoff versorgt. - Wir können in einer Bedrohungssituation schneller und kraftvoller reagieren.

Das ebenfalls direkt ausgeschüttete Stresshormon Noradrenalin wirkt vor allem als Neurotransmitter in der Amygdala, einem Teil des limbischen Systems und gewissermassen das Angstzentrum des Gehirns. Durch eine bessere Verbindung der Nervenzellen in diesem Bereich unterstützt Noradrenalin die Entstehung von Angst bei Stress und sorgt durch die Verknüpfung von Situation mit Emotionen für eine bessere Erinnerungsfähigkeit an die Situation.

Die Adrenalin-Noradrenalin-Reaktion hat jedoch insgesamt eher eine kurzzeitige Wirkung, da sich die Bindungsfähigkeit der zugehörigen Rezeptoren für Adrenalin und Noradrenalin nach der ersten Verknüpfung stark absenkt. Anhaltender Stress führt also zu einer Wirkungsverringerung von Adrenalin und Noradrenalin und beendet die Wirksamkeit auf biochemischem Weg schliesslich von selbst.

Das Stresshormon Cortisol indes wirkt ebenfalls wie ein Aufputschmittel für den Körper, hat aber eher eine Langzeitwirkung. Bei einem akuten Stresszustand wird es zeitlich versetzt (um ca. 20-30 min.) von der Nebennierenrinde ins Blut ausgeschüttet und über die Blutgefässe in verschiedene Regionen des Körpers gebracht. Bleiben die stressauslösenden Bedingungen erhalten, entsteht ein längerfristig erhöhter Cortisol-Level. Im Körper kommt es dann zu einem dauerhaft höheren Blutzuckerspiegel und einer zunehmenden Insulinresistenz - man verspürt weniger oder keinen Hunger. Ebenso wird die Leistungsfähigkeit des Herz-Kreislaufsystems durch einen erhöhten Puls gesteigert und ressourcenverbrauchende Tätigkeiten (wie Knochenaufbau, Kalziumaufnahme des Darms, Hautversorgung und Glucosespeicherung in den Zellen). Das Immunsystem wird geschwächt, indem u.a. die Aktivität von T-Helfer-Zellen (sozusagen "natürliche Killerzellen") gesenkt wird. Damit steigt die Anfälligkeit für Infektionserkrankungen. Das Schlafbedürfnis wird unterdrückt, das Schmerzempfinden gesenkt. In bestimmten Bereichen des Gehirns (vor allem in der für komplexe und assoziative Denkleistungen notwendigen Grosshirnrinde sowie im deklarativen Gedächtnis) kommt es zu einer Denkblockade.

Derartige Reaktionen des Körpers waren in früheren Zeiten zweifellos überlebenswichtig, ermöglichten sie doch, ein Zaudern und Zögern in Kampf- oder Fluchtsituationen zu vermeiden. In unserer heutigen Zivilisation sind sie jedoch eher schädlich, da sich die frei gewordenen Energien bei Dauerstress gegen den eigenen Körper und dessen Gesundheit richten. Wird dem Körper beispielsweise Schlaf entzogen, dann kann er sich nicht mehr ausreichend regenerieren. Ein dauerhaft erhöhter Puls führt zu einer gesteigerten Anfälligkeit für Herz-Kreislauferkrankungen.
Ein langfristig erhöhter Cortisolspiegel hemmt die Neubildung von Nervenzellen in verschiedenen Hirnregionen und führt sogar zum Absterben neuronaler Verschaltungen im Gehirn. Dauerstress hat somit u.a. Gedächtnis-, Appetit-, Libido- und Schlafstörungen, verstärkten Fettansatz, Muskelschwund und Depressionen zur Folge.

Einige psychobiologische Untersuchungen zum Burnout-Syndrom ( z.B. Weber 2005 und Pruessner et al. 1999) kommen interessanterweise zu dem Ergebnis, dass der Cortisolspiegel von Burnout-Betroffenen in Belastungssituationen vergleichsweise niedrig ist, was sozusagen bedeutet, dass zu wenig vom Stresshormon Cortisol ausgeschüttet wird, wodurch Symptome wie Müdigkeit, Schmerzen, geringe Aufmerksamkeit und verminderte Belastungsfähigkeit erklärbar werden. Von einigen Forschern ( siehe z.B. Bieger 2006 ) wird vermutet, dass Dauerstress bei einigen Menschen erst zu einer Erhöhung der Cortisolwerte führt, dann jedoch zu einer niedrigeren Reaktivität auf dieser Stressachse durch eine Überlastung der entsprechenden Rezeptoren.

Andere Studien hingegen stellten bei subjektiv chronischem Stress und Arbeitsüberlastung überdurchschnittlich erhöhte Cortisolkonzentrationen bei den Betroffenen fest ( vgl. Pruessner et al. 2003, Steptoe et al. 2004, Schulz et al. 1998). Die Befunde hierzu sind also nicht eindeutig, eine detailliertere wissenschaftliche Klärung des genauen komplexen Zusammenspiels psychobiologischer und genetischer Faktoren bei chronischem Stress bzw. der Entwicklung eines Burnout-Syndroms steht noch aus.
 

Burnout Ursachen: Der Einfluss des modernen Arbeitslebens
In rasanter Geschwindigkeit haben sich in den letzten 20 Jahren Arbeitswelt und Arbeitsbedingungen geändert. Die Industriegesellschaft wurde von der Informations- und Dienstleistungsgesellschaft abgelöst. Arbeit wurde immer knapper, die Produktivität hat sich aber immens gesteigert. Durch den Wandel der Arbeitsbedingungen haben sich auch die Anforderungen an die Beschäftigten und vor allem die physischen Belastungen gewandelt.

Moderne Arbeitsbedingungen schaffen ideale Voraussetzungen für den Burnout:

Zunächst zu den Zahlen und Fakten: die Anzahl der geleisteten Überstunden pro Jahr in Europa steigen fast kontinuierlich an. In der Schweiz lagen die geleisteten Überstunden nach den Berechnungen des Bundesamtes für Statistik im Jahr 2007 bei 186 Millionen, 4,3% mehr als im Jahr 2006. In Deutschland wurden im Jahr 2007 nach Berechnungen bzw. Schätzungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg rund 3 Milliarden Überstunden geleistet - davon die Hälfte unbezahlt.
Da die Schätzung der unbezahlt geleisteten Überstunden eher vorsichtig ausfällt, ist davon auszugehen, dass die Zahlen in Wahrheit noch weit höher ausfallen.
In Zeiten der Wirtschaftskrise und drohendem Arbeitsplatzverlust verschärft sich die Lage nochmals. Die Berner Zeitung schreibt in ihrer Online-Ausgabe in einem Artikel vom 24.03.2009: "Angst vor Jobverlust: Schweizer schieben Überstunden wie nie". Eine wirtschaftswissenschaftliche Studie an der Humboldt Universität zu Berlin (siehe Anger 2006) hat herausgefunden, dass unbezahlte Überstunden umso mehr zunehmen, je höher die Arbeitslosigkeit einer Region ist.
Aber die konkrete Angst vor Arbeitsplatzverlust ist nicht die alleinige Ursache dafür, dass nicht mehr nur länger Top-Führungskräfte regelmässig eine 60-Stunden-Woche schieben, sondern auch zunehmend Angestellte im unteren und mittleren Management. Die Wirtschaftswissenschaftlerin Dr. Bärbel Kerber geht in ihrem Buch "Die Arbeitsfalle" den Rahmenbedingungen der neuen Überstundenkultur auf den Grund. Einen Einfluss haben beispielsweise die in den 1990er Jahren flächendeckend in Unternehmen eingeführten neuen Managementkonzepte wie "Lean Management", "Business Reengineering" oder die Einführung von "Vertrauensarbeitszeit", d.h. die Abschaffung von Arbeitszeit-Erfassungssystemen und die Einführung von Profitabilitätskennzahlen als vorrangigem Mitarbeiter-Beurteilungskriterium.
 

Burnout: Gesellschaftliche Ursachen tragen zur persönlichen Verausgabungsbereitschaft bei
Zu den offensichtlichen selbstausbeutungsförderlichen arbeitsstrukturellen Faktoren gesellen sich noch unterschwellig wirksame Einflussfaktoren in Form zentraler gesellschaftlicher Werte und Rollenerwartungen hinzu. Gesellschaftliche Normen beeinflussen unsere Einstellung zur Arbeit, und damit unsere Einsatzbereitschaft im Beruf.

In der westlichen Welt gilt das Leistungsprinzip: wer etwas leistet, wird respektiert, anerkannt und wertgeschätzt. Wer nichts oder in den Augen der Gesellschaft zu wenig leistet, erntet Unverständnis und Verachtung. Die Arbeit ist sinn- und identitätsstiftend. Das wird nicht nur im gesellschaftlichen Umgang mit Arbeitslosen deutlich - nichts provoziert die öffentliche Diskussion über vermeintlich systemschädigende "Schmarotzer" und "Faulenzer" mehr als solche Arbeitslose, die verkünden, mit ihrer Situation glücklich und zufrieden zu sein. Auch wissenschaftliche Untersuchungen über die Wertorientierungen junger Berufstätiger ergeben, wie eng die eigene Identität mit der Art dem Erfolg der Erwerbstätigkeit verknüpft wird .
Vor allem für Höherqualifizierte ist die Arbeit nicht mehr nur eine Chance zur Selbstentfaltung und Verwirklichung eigener Ansprüche, sondern die Selbstentfaltung und Selbstdarstellung über die Arbeit wird zur Pflicht, zu einem gesellschaftlichen Zwang, der in hohen Ansprüchen an sich selbst resultiert. Wer lange Ausbildungszeiten auf sich nimmt, erwartet von sich selber, dass sich derartige "Investitionen" später in der eigenen Berufsbiografie irgendwie auszahlen müssen, sei es in Form von Einkommen, Berufsprestige, Karrierefortkommen, Selbstverwirklichung oder Ansehen.

Hinzu kommen konkrete Rollenerwartungen seitens der Gesellschaft an Männer und Frauen. Die traditionelle Rolle des Mannes als dem eigentlichen Ernährer und Versorger der Familie hat auch im 21. Jahrhundert noch nicht ausgedient. Die Existenzsicherung der Familie gilt auch heute noch als primär männliche Pflicht. Wenn aus einer Doppelverdiener-Ehe eine Familie mit Kindern wird, fallen die meisten Paare in die althergebrachte Rollenverteilung zurück. Das hat nicht nur ökonomische Gründe - auch bei ähnlich hohen Einkommen beider Partner definieren sich die Männer häufig als die Haupternährer der Familie. Wer es nicht tut, muss den gesellschaftlichen Gegenwind aushalten können.
 

Verlauf von Burnout
Die Frühphase eines Burnout-Syndroms ist dadurch gekennzeichnet, dass der Betroffene sich kaum Erholung und Ruhe gönnt, sondern sich stark mit seiner Arbeit identifiziert und sie auf seiner Prioritätsliste dauerhaft nach ganz oben setzt. Er erwartet von sich 100% Leistung und muss sich ständig unter Kontrolle halten, um diese zu erbringen.

Am Anfang steht die Begeisterung, am Ende die Erschöpfung
Am Beginn der Entwicklung eines Burnout-Syndroms stehen Engagement, Enthusiasmus und hohe berufsbezogene (nicht selten unrealistische) Erwartungen. Das heisst: wer nie eine idealistische Frühphase hatte und seine beruflichen Tätigkeiten von Anfang an mit hoher Unlust und innerer Distanz verrichtet hat, entwickelt kein Burnout-Syndrom. Dafür wird gerne die Formulierung benutzt: "Wer nicht gebrannt hat, kann auch nicht ausbrennen."
Irgendwann folgen unweigerlich erste Ermüdungserscheinungen, die vom Betroffenen aber kontinuierlich ignoriert werden, ebenso wie die Enttäuschungen und der Frust darüber, dass bestimmte Erwartungen an die Arbeit nicht erfüllt bzw. durch bestimmte Ereignisse im Tagesgeschäft wiederholt torpediert werden.

Der Versuch, durch noch mehr Einsatz und noch höheres Engagement das Erwünschte zu erreichen, führt zu einer schleichenden und unaufhaltsamen Entkräftung, die vom Betroffenen lange nicht wahrgenommen wird. Private Bedürfnisse werden so lange auf später verschoben, dass ihr Verzicht kaum noch als solcher empfunden wird. Der Erschöpfung folgt ein emotionaler Rückzug. In das Denken und Fühlen des Betroffenen schleichen sich Widerwillen und eine deutlich distanzierte oder zynische Haltung gegenüber Kollegen, Patienten, Klienten etc. ein.

In einer fortgeschrittenen Phase schliesslich entsteht ein Wahrnehmungsverlust für die eigene Person. Der Betroffene leidet unter Orientierungslosigkeit, Angst- und Hilflosigkeitsgefühlen, Desinteresse, Apathie sowie körperlichen Symptomen (z.B. Rückenschmerzen, Schlaf- und Verdauungsstörungen). Es werden Verhaltensveränderungen sichtbar, nach dem emotionalen folgt der soziale Rückzug. Der Betroffene entwickelt eine Abwehrhaltung gegenüber Kritik, verliert seine Leistungsfähigkeit, leidet unter Konzentrationsschwächen, kann sich zu nichts mehr aufraffen und seine Arbeit nur noch unter grössten Anstrengungen ausüben. Von hier aus ist es bis zu einem vollständigen Zusammenbruch, bis zur totalen Erschöpfung mit z.T. lebensbedrohlichen Folgen nicht mehr weit.

Die Entwicklung dieser psychischen und physischen Symptome als Folgen von Dauerstress lässt sich aus pathologischer Sicht auch am Organismus des Betroffenen nachvollziehen (vgl. Rensing et al. 2006). Dauerstress führt u.a. zu einer erhöhten Konzentration des Stresshormons Cortisol im Blut. Cortisol wirkt lange Zeit wie ein Aufputschmittel für den Körper, führt aber bei "Dauereinsatz" zu Gedächtnis-, Appetit-, Libido- und Schlafstörungen, verstärktem Fettansatz, Muskelschwund und Depressionen.
Nun liesse sich einfach behaupten, Burnout-Betroffene seien in weiten Teilen selbst an ihrem Schicksal schuld, immerhin hat sie ja keiner gezwungen, sich im Job derart aufzureiben und zu verausgaben. Würden sie ein bisschen vernünftiger oder kompetenter mit der Stressbelastung umgehen oder sich ein bisschen mehr schonen, wäre das Problem schon behoben, könnte man meinen. Diese Sichtweise ist gar nicht so selten anzutreffen, verharmlost aber, dass bestimmte gesellschaftliche Wertvorstellungen und konkrete organisationsstrukturelle Massnahmen massiv und systematisch zu einer Förderung der burnoutförderlichen Faktoren beitragen.


Burnout Therapie und Burnout Prävention
Die Prävention vor und Behandlung von einem Burnout-Syndrom zielt im weitesten Sinne auf die Verminderung von Stress für den Betroffenen ab. Allerdings variieren die in Wissenschaft und Praxis diskutierten Therapiemethoden und Behandlungsmöglichkeiten stark. Je nach stressbezogener Hintergrundtheorie, Betrachtungs- bzw. Interventionsebene, Behandlungsakteuren, dem angenommenen Fortschrittsgrad des Burnout-Syndroms sowie der Offenheit bzw. Einsichtsfähigkeit des Burnout-Betroffenen werden unterschiedliche Massnahmen vorgeschlagen.

Ein Patentrezept gibt es nicht
Um diese grosse Anzahl unterschiedlicher Präventions- und Therapiestrategien zum Burnout-Syndrom grob zu sortieren und zu strukturieren, lässt sich zunächst zwischen individuumszentrierten Ansätzen zur Burnout-Prävention und -Behandlung auf der einen Seite und organisations- bzw. arbeitspsychologischen Konzepten auf der anderen Seite unterscheiden. Die individuumszentrierten Behandlungsmethoden und Präventionsmassnahmen beinhalten Konzepte und Strategien, die den Einzelnen befähigen sollen, seine individuellen und sozialen Ressourcen zu nutzen und zu stärken, um stressresistenter zu werden und damit das Burnout-Risiko zu senken.

Die organisationspsychologischen Konzepte umfassen diejenigen Massnahmen und Strategien, die auf eine Verbesserung der konkreten Arbeitsbedingungen in der Organisation abzielen und externe Stressfaktoren verringern bzw. soziale Unterstützung verstärken sollen.

(Zusammenfassung von burnout-info.ch)

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