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Risikogesellschaft und Jugend

In der heutigen Zeit entstehen immer mehr „zivilisatorische Selbstgefährdungspotentiale“, wie zum Beispiel die diversen Kriege und Umweltkatastrophen in den letzten Jahren, die die menschliche Existenz bedrohen. Viele Familien sind nicht mehr im Stande ihren Kindern die nötige soziale Sicherheit in einer unübersichtlich gewordenen Welt zu vermitteln. In welcher Situation stehen die Menschen, das Individuum, im speziellen der Jugendliche heute? Wie verarbeiten sie diese zunehmende „auf-sich-selbst-gestellt-sein“?
 
In seinem Buch greift Lothar Böhnisch (2001) auf Ulrich’s Beck Theorie der Risikogesellschaft (1986) zurück. Der Begriff Risikogesellschaft lässt sich gemäss Beck auf drei Ebenen skizzieren:
 
 
  • Das Verhältnis zwischen der modernen Industriegesellschaft und den Ressourcen der Natur und der Kultur. Beck versteht darunter, dass die Industriegesellschaft auf Natur und Kultur aufgebaut ist. Die Industriegesellschaft löst allerdings deren Bestände nach und nach auf, in dem die Natur zerstört wird, gemeinsame Traditionen und Werte zerrüttet werden.
  • Das Verhältnis der Gesellschaft zu den von ihr selbst erzeugten Gefährdungen und Problemen. Diese Gefahren und Probleme erschüttern die bisherige Gesellschaftsordnung, da sie die Grundlagen gesellschaftlicher Sicherheitsvorstellungen übersteigen.
  • Durch den Individualisierungsprozess werden kollektive und gruppenspezifische Sinnquellen aufgelöst und aufgezerrt, wie zum Beispiel ethische Grundsätze oder das Klassenbewusstsein.
 
 
 
Individualisierung 
 
„Der Begriff der Risikogesellschaft verweist auf einen seit dem Ende des 19. Jahrhunderts anhaltenden gesellschaftlichen Prozess der Individualisierung, als Konsequenz beschleunigter ökonomischer und sozialer Arbeitsteilung, den Emile Durkheim schon damals beschrieben und Ulrich Beck fast hundert Jahre später systematisch neu gefasst hat“ (Böhnisch, 2001, S.29).
 
 
 
Die Individualisierung ist also eine Funktion des Modernisierungsprozesses und meint sowohl den Prozess „der Herauslösung aus historisch vorgegebenen Sozialformen und –bindungen im Sinne traditioneller Herrschafts- und Versorgungszusammenhänge“, den „Verlust traditioneller Sicherheiten im Hinblick auf Handlungswissen, Glauben und leitende Normen“ als auch „die Suche nach einer neuen Art der sozialen Einbindung“ (Böhnisch, 2001, S. 29). Heute in unserer hochindividualisierten Gesellschaft ist für jeden Einzelnen die Chance vorhanden, eine grosse Karriere zu machen, andererseits aber auch das Risiko, seine Pläne nicht zu erreichen, zu scheitern. (vgl. Böhnisch in Thiersch & Otto, 2001, S. 1120) Es gibt keine „vorgefertigten“ Berufslaufbahnen mehr. Durch diese Individualisierung kann sich nur noch der behaupten, der sich gegenüber den Anderen herausstellen oder durchsetzen kann. Für Menschen, die aus irgendwelchen Gründen benachteiligt sind beziehungsweise werden, kann es schwer werden, gesellschaftlichen Anschluss zu finden.
 
 
 
 
 
Risikoverhalten 
 
„Unter Risikoverhalten versteht man ein solches Verhalten, das in seinen mittelbaren und unmittelbaren Konsequenzen, bewusst oder unbewusst, gewollt oder ungewollt für die einzelne Person zu einer Beeinträchtigung ihres körperlichen und psychischen Wohlbefindens wie ihrer sozialen Entfaltungsmöglichkeit führt“. 
 
Der Begriff des Risikoverhaltens orientiert sich daran, dass in der Jugend soziale Bewältigungsprobleme zunehmen, wie zum Beispiel Arbeitslosigkeit, Bildungskonkurrenz usw., die ein spannungsgeladene Balance zwischen jugendgemässer Entwicklung und psychosozialer Bewältigung erzeugen.

Der Begriff Risikoverhalten drückt zweierlei aus:
 
Zum einen zeigt er auf, dass sich die Schonphase Jugend zur Risikophase Jugend entwickelt hat. Andererseits zeigt er auf, dass sich Jugendliche „riskant“ gegenüber sich, aber auch gegenüber Anderen verhalten. Die Jugendlichen können die Grenzen zwischen kulturellem Experiment und sozialem Bewältigungsdruck nicht mehr kalkulieren und werden Opfer einer fortschreitenden gesellschaftlichen Diffusion der Adoleszenz. Zusammengefasst auf die Jugend bezogen ist Risikoverhalten also rücksichtloses jugendsubkulturelles Bewältigungsverhalten in einer Stimmung in der übermässiges Machterleben und psychosoziale Belastung nebeneinander stehen. Durch die gesellschaftliche Individualisierung wurde und wird das Risikoverhalten immer häufiger „produziert“ und verbreitet. (vgl. Böhnisch, 2001, 135).
 
 
 
 
 
Protektive Faktoren 
 
Protektive Faktoren sind Mechanismen, „die die Wirksamkeit von Risikofaktoren und die dadurch ausgelöste erhöhte Verletzlichkeit für Abweichungen, Auffälligkeiten und Beeinträchtigungen abschwächen können“ (Böhnisch, 2001, S. 135). Diese Schutzmechanismen werden vom Selbst eines Menschen je nach Gefühlslage oder Stimmung gebildet beziehungsweise aktiviert. Selbstvertrauen und soziale Annerkennung im Rahmen konformer Lebensführung könnte man die protektiven Faktoren vereinfacht gesagt auch nennen. Reichen diese vorhandenen Schutzmechanismen allerdings in einer bestimmten Stresssituationen nicht aus, gilt es Unterstützungsangebote zu entwickeln, die auch ohne Abweichendes Verhalten ein Erleben von Erfolg des Selbst und sozialem Erfolg vermitteln können. (vgl. Böhnisch, 2001, S. 136)
 
 
 
Im vornherein können keine Aussagen über die Wirkung von protektiven Faktoren getätigt werden, da sich erst im Zusammenspiel von protektiven Faktoren und Risikofaktoren beziehungsweise –situationen entscheidet, ob und wie diese wirken. Zum Beispiel kann man, wenn man keine Drogen konsumiert nicht sagen, ob man immun gegen Drogen ist. So kann erst mit dem Drogengebrauch, in der riskanten oder kontrollierten Art des Umgang mit Drogen erkannt werden, ob die Selbstwert- und Sozialbezüge, über die man verfügt, auch protektive Faktoren erzeugen und eine Sucht verhindern.
 
Entsprechend des Wissens über protektive Faktoren ist zu schliessen, dass ein Umgang mit Drogen, der nicht abhängig macht, selbstwertgestärkte Selbstkontrolle und eine soziale Umwelt voraussetzt, in der es genug Erlebnis- und Verhaltensalternativen gibt, so dass die Jugendlichen für ihr Alltagsleben und ihrer Alltagsbewältigung keine Drogen benötigen (vgl. Böhnisch, 2001, S. 137).
 
  

C. Belz, 2003

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